1848-1919: Die Vor­ge­schich­te

Der Ruf der ArbeiterInnen und Angestellten nach einer eigenen Interessenvertretung blieb lange ungehört. Ein paar Etappen eines langen Weges.

Im Jahr 1848

Revolution der BürgerInnen und ArbeiterInnen gegen den kaiserlichen Absolutismus. Bei den Wahlen zum Revolutionsparlament dürfen ArbeiterInnen zwar abstimmen, aber nicht kandidieren. Für die Unternehmerschaft werden Handelskammern mit Pflichtmitgliedschaft errichtet, die Forderung nach einem Arbeiterparlament ist vergeblich. Die Handelskammern sind eine der wenigen Errungenschaften der Revolution, die nach dem Sieg der kaiserlichen Truppen bestehen bleiben.

Im Jahr 1867

Die österreichisch-ungarische Monarchie entsteht. Die „österreichische“ Hälfte der „Donaumonarchie“ bekommt endlich ein Parlament, den Reichsrat. Aber das demokratische Prinzip „one man - one vote“ gilt noch lange nicht – es handelt sich um ein „Kurienparlament“, das heißt, es gibt für bestimmte Gruppen wie die UnternehmerInnen eine festgelegte Mandatszahl. ArbeiterInnen und Angestellte dürfen zuerst überhaupt nicht wählen, und dann, kurz vor 1900, nur wenige Abgeordnete in einer „Allgemeine Kurie“.

Im Jahr 1872

Der Verein „Volksstimme“ verlangt vom „Reichsrat“ (Parlament) die Errichtung von Arbeiterkammern. Diese sollen wie die Handelskammern ein Begutachtungsrecht für Gesetzesentwürfe bekommen, die soziale Lage erforschen und dokumentieren und das Recht haben, Abgeordnete in eine neue „Arbeiterkurie“ des Reichstags zu entsenden – wie die Handelskammern in die Unternehmerkurie. Die „Petition“ wird aber abgelehnt.

Im Jahr 1886

Erstmals wird einem österreichischen Parlament der Entwurf eines „Arbeiterkammergesetzes“ vorgelegt. Die meisten Arbeiterorganisationen lehnen den Gesetzesentwurf jedoch ab. Sie wollen keine „Arbeiterkurie“, sondern ein von allen Bürgern demokratisch gewähltes Parlament und eine gesetzliche Interessensvertretung, die mit entsprechenden Rechten ausgestattet ist.

Im Jahr 1887

Die Gründungsversammlung des „Allgemeinen Linzer Arbeitervereins“ fordert die Errichtung von Arbeiterkammern.

Jahreswende 1888/89

Beim Gründungsparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Hainfeld ist auch die Errichtung von Arbeiterkammern ein Diskussionspunkt.

Im Jahr 1890

Bei Zusammenkünften christlicher Sozialpolitiker wird die Errichtung von Arbeiterkammern als Teil eines „berufsständischen“ Konzeptes angestrebt.

1907 bis 1916

Mit dem demokratischen Wahlrecht für Männer besteht nicht mehr die Gefahr, dass die Arbeiterkammern als „Demokratie-Ersatz“ missbraucht werden könnten, die freien Gewerkschaften bereiten neue Initiativen vor. Aber mit Beginn des 1. Weltkriegs und der Kriegsdiktatur sind sie vorerst beendet. Erst 1917 wird der Reichsrat wieder einberufen.

1917/18

Tschechische Sozialdemokraten fordern im Reichsrat die Errichtung von Arbeiterkammern. Darauf aufbauend bringen dann der Metallergewerkschafter Franz Domes und der sozialdemokratische Politiker Karl Renner den Entwurf eines demokratischen Arbeiterkammergesetzes ein. Bis zum Ende der Monarchie und des Weltkriegs kommt es aber nicht mehr zur Beschlussfassung.