In dankbarer Erinnerung an Paul Johannes Schlesinger (1874 – 1945)
Paul Johannes Schlesinger (1874 bis 1945) wurde in Wien als Sohn einer jüdischen Familie[1] geboren. Er erlernte den Beruf eines Feinmechanikers und ging wie viele junge Facharbeiter auch noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf Arbeitssuche durch viele europäische Länder: durch Ungarn, Deutschland, die Niederlande, Belgien und die Schweiz. Wahrscheinlich ist er schon während seiner Wanderschaft mit den Ideen der jungen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Berührung gekommen, auf jeden Fall schloss er sich nach seiner Rückkehr nach Wien 1905 der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung an. 1907 wurde er Obmann der Gebietskrankenkasse Baden und 1911 Sekretär des sozialdemokratischen freigewerkschaftlichen Metallarbeiterverbandes für Wiener Neustadt, 1911/12 fungierte er auch als Metaller-Obmann für die Bezirke Wiener Neustadt, Baden und Mödling. Wie vielen Gewerkschafte:innen und Politiker:innen aus den Reihen der Arbeiterbewegung brachte ihm sein Engagement in der Habsburgermonarchie Anklagen und Verurteilungen wegen „politischer Vergehen“ ein.
Biographische Informationen zu Paul Johannes Schlesinger.[1]
Paul Johannes Schlesinger (1874 bis 1945) wurde in Wien als Sohn einer jüdischen Familie[2] geboren. Er erlernte den Beruf eines Feinmechanikers und ging wie viele junge Facharbeiter auch noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf Arbeitssuche durch viele europäische Länder: durch Ungarn, Deutschland, die Niederlande, Belgien und die Schweiz. Wahrscheinlich ist er schon während seiner Wanderschaft mit den Ideen der jungen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Berührung gekommen, auf jeden Fall schloss er sich nach seiner Rückkehr nach Wien 1905 der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung an. 1907 wurde er Obmann der Gebietskrankenkasse Baden und 1911 Sekretär des sozialdemokratischen freigewerkschaftlichen Metallarbeiterverbandes für Wiener Neustadt, 1911/12 fungierte er auch als Metaller-Obmann für die Bezirke Wiener Neustadt, Baden und Mödling. Wie vielen Gewerkschafter:innen und Politiker:innen aus den Reihen der Arbeiterbewegung brachte ihm sein Engagement in der Habsburgermonarchie Anklagen und Verurteilungen wegen „politischer Vergehen“ ein.
1916 wegen einer Verwundung vom Kriegsdienst befreit, nahm er seine gewerkschaftliche Tätigkeit in Wiener Neustadt wieder auf und zählte 1918 zu den Organisatoren des „Jännerstreiks“, der einen großen Teil der Kriegsindustrie der Habsburgermonarchie erfasste, das Ende von Hunger und Krieg verlangte und Basis der revolutionären Rätebewegung wurde.
Nach der Gründung der demokratischen Republik engagierte sich Schlesinger auch als Mandatar der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ (SDAP). 1921 bis 1926 vertrat er die SDAP im Niederösterreichischen Landtag., von 1926 bis zur Ausschaltung des Parlaments 1933 setzte er sich als Nationalratsabgeordneter für die Interessen der Arbeiterschaft ein. Als Gewerkschaftsfunktionär wurde er auch 1921 zum Mitglied der gemeinsamen Arbeiterkammer Wien-Niederösterreich gewählt.[3] Im Zusammenhang mit der Eingliederung des Burgenlands in die demokratische Republik setzte er sich konsequent dafür ein, dass das österreichische Arbeits- und Sozialrecht auch für das neue Bundesland zu gelten habe. Insbesondere forderte er auch die Errichtung eines „Arbeiterkammerbeirats“ (für eine eigene AK fehlten noch die rechtlichen Rahmenbedingungen). Aus dem AK-Tätigkeitsbericht für 1921 bis 1926:
„Ein besonderes Kapitel der Organisation nimmt die Frage des Burgenlandes ein. Schon am 23. April 1922 setzte sich Abgeordneter Schlesinger in einer Vollversammlung für die rascheste Rechtsangleichung des Burgenlandes an die sozialpolitische Gesetzgebung Österreichs ein und verlangte insbesondere die Ausdehnung der Wirksamkeit des Koalitions-, Vereins-, Versammlungs- (und) Arbeiterkammergesetzes und der Sozialversicherungsgesetze auf das Burgenland.“[4]
Als linker Oppositioneller wurde Schlesinger vom austrofaschistischen Regime 1934 mehrere Monate im „Anhaltelager“ Wöllersdorf inhaftiert und durfte danach nicht mehr nach Wiener Neustadt zurückkehren. Er wohnte jetzt im 4. Wiener Gemeindebezirk Wieden, ab 1938 unterbrochen durch Verhaftung und Verfolgung im nationalsozialistischen Terror.
Die erste Verhaftung durch die Gestapo erfolgte im Oktober 1938, nach einer Quelle „wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Betätigung“, nach einer anderen „wegen seiner jüdischen Abstammung“.[5] Wie bei den meisten linken Oppositionellen, die nach der NS-Gesetzgebung als Juden klassifiziert wurden, trifft wohl auf Schlesinger beides zu, wovon auch die Opferdatenbank des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands ausgeht. Der alte Mann wurde zwar nach mehreren Monaten wieder freigelassen, warum er den Deportationen der Folgejahre entging, ist nicht bekannt. Die allgemeine Verhaftungswelle nach dem fehlgeschlagenen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 traf dann aber auch ihn, am 19. September 1944 wurde er in das KZ Auschwitz deportiert. Angesichts des Vormarschs der Roten Armee wurde Auschwitz von den Nazis aufgegeben, die noch lebenden Häftling wurden in das KZ Groß Rosen „überstellt“. Schlesinger überlebte den Todesmarsch nach Groß Rosen, wurde aber dort nach der aktuellsten Angabe am 10. Februar 1945 ermordet oder starb an den Folgender Strapazen.[6]
[1] Der folgende Text stützt sich vor allem auf zwei Dokumente:
Anton Blaha: Tod eines Nationalratsabgeordneten, Stolpersteine Wiener Neustadt, URL: http://stolpersteine-wienerneustadt.at/schlesinger-paul-johannes/. Blaha gibt als Quellen die Festrede von Bürgermeister Barwitzius anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel am Pau-Johannes-Schlesinger-Hof in Wiener Neustadt am 13. Juni 1969 sowie „weitere Unterlagen aus dem Industrieviertelmuseum“ an.
Werner Sulzgruber: Gedanken und Anmerkungen zum Projekt „Stolpersteine“ in Wiener Neustadt, Jüdische Gemeinde Wiener Neustadt, URL: http://www.juedische-gemeinde-wn.at/pages/Aktivitaeten/Stolpersteine.aspx.
Weitere Quellen:
Eintrag auf wikipedia, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Johannes_Schlesinger.
Eintrag im Web-Lexikon der Wiener Sozialdemokratie „dasrotewien.at“, URL: http://www.dasrotewien.at/schlesinger-paul-johannes.html.
Kurzbio auf der Website des österreichischen Parlaments, URL: https://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_01727/
Weiters ist noch auf die Opferdatenbanken des DÖW und von Yad Vashem als Quellen zu verweisen.
Hinweis:
Es wurde überprüft: Alle digitalen Quellen sind nach wie vor abrufbar.
[2] Die jüdische Abstammung Schlesingers wird nur in zwei Publikationen angesprochen: von Werner Sulzgruber und indirekt in der Website „Das jüdisches Wieden, Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Gesellschaft für Kulturstudien und Stadtgeschichte, das in den Jahren 2013-2016 durchgeführt wurde“, URL: http://www.juedischewieden.at) , wo er im Kapitel über die Familie Mildwurm als Leidensgenosse von Walter Mildwurm Erwähnung findet. Als jüdisches Opfer wird Schlesinger auch in der digitalen Opferdatenbank des DÖW und davon ausgehend, in der digitalen Opferliste von Yad Vashem ausgewiesen.
[3] In der Ersten Republik hießen die gewählten Kammerräte Kammermitglieder. Schlesingers AK-Funktion geht aus den Vollversammlungsprotokollen und aus dem Tätigkeitsbericht der Arbeiterkammern für die Zeit von 1921 bis 1926 hervor, Siehe folgende FN.
[4] Gewerkschaftskommission Österreichs (Hg.): Die Arbeiterkammern in Österreich 1921/1926, Verlag der „Arbeit und Wirtschaft“, Wien 1926, Seite 19-20. Der Antrag wurde kurz nach dem Inkrafttreten des 2. Bundesverfassungsgesetzes über das Burgenland (Beschluss 7. April 1922) und vor dem erstmaligen Zusammentreten des neugewählten burgenländischen Landtags am 15. Juni 1922 gestellt. Analog zur Wirtschaftskammer (Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie) konnte die AK Wien-Niederösterreich schließlich die Genehmigung zur Errichtung eines Arbeiterkammerbeirats für das Burgenland durchsetzen. Er konstituierte sich am 10. Oktober 1925 im Sitzungssaal des burgenländischen Landtags in Eisenstadt.
[5] Der Verhaftungsgrund „jüdische Abstammung“ wird von Werner Sulzgruber genannt, der Verhaftungsgrund „staatsfeindliche Betätigung“ von Anton Blaha.
[6] Angaben aus der Datenbank von Yad Vashem. Stand 2015. Sulzgruber geht davon aus, dass Schlesinger als Folge der Strapazen des Todesmarschs starb.