Frau auf Roller
© Creative Christians

Branchenreport "Sharing Economy" 2020 

"Sharing Economy" klingt nach Teilen, nach Ausleihen statt Kaufen und gemeinsamer Nutzung von Ressourcen. Man denkt an uneigennütziges Handeln und Gemeinschaftskonsum von Fahrzeugen, Raum und Waren. Aber wie viel „Teilen“ steckt noch in der "Sharing Economy"?

Welche Formen von Teilen sind damit eigentlich gemeint? Und welche sind einfach profitorientierte Wirtschaftsprozesse, die mit Teilen gar nichts zu tun haben? Wie der AK Branchenreport „Sharing Economy“ belegt, bleibt die Entwicklung der Plattformen, auf denen Waren und Dienstleistungen geteilt und gehandelt werden, auch in Österreich weiterhin dynamisch. 

Plattformen-Bericht 2020: Intransparenz beenden, Rechtssicherheit für Arbeitende 

Der erste AK-Branchenmonitor „Sharing Economy“ hat bereits 2017 versucht, ein strukturelles Überblicksbild über in Österreich zugängliche Plattformen, ihre EigentümerInnen und ihre wirtschaftlichen Grunddaten zu geben. Wie auch 2017 schon wird innerhalb der „Branche“ weiterhin eine diverse Entwicklung erwartet. Die genauen Funktionsweisen der Plattformen bleiben intransparent. Änderungen geschehen oft rasch und sind schlecht prognostizierbar.

Besonders wenn die auf diesen Plattformen geteilte Ressource menschliche Arbeit (MyHammer, Uber) ist, und nicht etwa Waren (willhaben, Kleiderkreisel) oder freie Räume (AirBnb), besteht akuter Handlungsbedarf.

Für mehr digitale Gerechtigkeit braucht es aus Sicht der AK 

  • raschere Regulierung
  • vermehrte internationale Vernetzung
  • verstärkten Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen
  • Rechtssicherheit für die Arbeitenden
  • und mehr Transparenz von Seiten der Plattformen. 

Österreich und die Plattformökonomie 2020

Der Begriff „Sharing Economy“ löst oft fälschlicherweise Assoziationen des selbstlosen oder kooperativen Handelns aus, wo in der Realität Profitorientierung, Ausbeutung und Prekariat dominieren. Daher macht es viel mehr Sinn von Wirtschaften über Plattformen, also Plattformökonomie zu sprechen, um Machtverhältnisse wieder in den Fokus der Diskussion zu rücken.

Doch welche konkreten Neuigkeiten gibt es 2020 in diesem Bereich in Österreich? Die Datenlage ist noch immer unbefriedigend. Es konnte aber festgestellt werden, dass 2020 nur mehr 56 Plattformen grundsätzlich zugänglich waren. Im Jahr 2017 waren im Vergleich dazu noch 70 „Sharing“-Plattformen aus Österreich zugänglich. Das ist ein Rückgang von mehr als elf Prozentpunkten. Spannend ist auch: Während 2017 noch für 17 von 70 Plattformen (24,3 %) zumindest eine österreichische Gesellschaft als Betreiber vorhanden war, waren dies aktuell immer noch 14 von 56 Plattformen (25 %), und das obwohl 2020 generell weniger Plattformen aus Österreich zugänglich waren. Umsätze und Beschäftigtendaten dieser Plattformen bleiben weitestgehend intransparent.


Mobility-Sharing im öffentlichen Raum  

Highlight des aktuellen Branchenreports zur „Sharing Economy“ ist aufgrund seiner Aktualität der Fokus auf Mobility Sharing im öffentlichen Raum. Analysiert wurden Plattformen, die Menschen – meist mithilfe einer App – im öffentlichen Raum Fahrzeuge (E-Scooter, Autos, Fahrräder oder Mopeds) vermieten. Oft wird geteilte Mobilität als ökologische und nachhaltige Alternative zum Eigenkauf beworben, doch nicht immer ergeben sich positive Umwelt-Effekte. Außerdem sind die Auswirkungen auf die Arbeitsrealitäten von „Juicern“, also jenen Menschen, die für einen Hungerlohn stehen gelassene E-Roller wieder an ihre Plätze zurückbringen, oft katastrophal.  

In Wien konnten im Bereich des „Free Floatings“ – also der Plattform-basierten Ausleihe von Fahrzeugen ohne Geschäftslokal – 15 „Mobility-Sharing“-AnbieterInnen identifiziert werden, wovon 13 über eine österreichische Gesellschaft verfügen. Von diesen 13 waren lediglich drei ausschließlich in österreichischem Eigentum, die anderen zehn gehören ausländischen Muttergesellschaften. Unter den E-Scooter AnbieterInnen zählen wohl Lime und Bird zu den bekanntesten. In der Fahrrad-Ausleihe kennen die meisten das kürzlich viel diskutierte Wiener Citybike. In der geliehenen Auto-Mobilität dominieren Bolt und Uber den öffentlichen Diskurs. Genauere Daten zu Bilanzen und Beschäftigtenzahlen zu den meisten Unternehmen sind (noch?) nicht verfügbar. Beim „Mobilitätssharing“ zeigte sich also in den letzten drei Jahren eine enorme Dynamik von meist sehr jungen, kleinen Unternehmen, die weitestgehend intransparent arbeiten. 

Der Weg zur fairen und nachhaltigen "Sharing Economy" 

Um die Realitäten des Arbeitens in der Plattformökonomie im Jahr 2020 mit ArbeitnehmerInnen-freundlichen Vorstellungen vom guten digitalen Arbeiten zusammenzubringen, braucht es vor allem zweierlei:

Einerseits mehr Transparenz und Daten von Seiten der Plattformen. Ohne Daten gibt es keine Regulierung und steuerrechtliche Verbesserungen. Wer sich Teilen auf die Fahnen schreibt, sollte dem Prinzip auch selbst folgen. Was die Offenlegungskriterien für „Sharing-Plattformen“ betrifft, sollte man sich nicht länger an klassischen Kennzahlen wie Umsatz, Bilanzsumme oder Beschäftigtenzahl orientieren, sondern neue Kennwerte wie etwa UserInnen-Anzahl, AnbieterInnen-Anzahl, Reichweite und Transaktionsvolumen in Erwägung ziehen.

Andererseits sollte deutlicher zwischen gemeinwohlorientierten und profitorientierten Plattformen unterschieden werden. Durch  diese Trennung könnte besonders bei profitorientierten Unternehmen genauer auf die Einhaltung von Arbeits-, Sozial- und Wettbewerbsrecht geachtet werden. Außerdem ist für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von PlattformarbeiterInnen internationale – wenn nicht globale – Zusammenarbeit unbedingt nötig. Mit dem Digital Services Act wird derzeit von der Europäischen Kommission ein Gesetzespaket zu digitalen Dienstleistungen vorbereitet. Derzeit ist noch offen, ob es auch Verbesserungen für PlattformarbeiterInnen beinhalten wird.  

Zum Dowload: Branchenreport "Sharing Economy" 2020 

Michael Heiling & Simon Schumich 
Branchenreport "Sharing Economy" (2,6 MB)

Zum Weiterlesen: Grundlagenpapier Plattformarbeit 

Martin Gruber-Risak, Johannes Warter & Christian Berger
  Grundlagenpapier Plattformarbeit (0,6 MB)